Inhalt der Rollen

Inhalt der Rollen

Bei dem Großteil der Schriftrollen vom Toten Meer handelt es sich um religiöse Schriften, die auf dieser Website in „biblische“ und „nicht-biblische“ Werke unterteilt werden, mit einer besonderen Kategorie für „Tefillin und Mesusot“. Die nicht-literarischen Aufzeichnungen in dem Korpus (meist Papyrushandschriften aus anderen Fundorten als den Qumran-Höhlen) werden als „Dokumente“ und „Briefe“ eingestuft; einige wenige gelten als „Schreibübungen“. Bei „nicht-identifizierten Texten“ handelt es sich um winzige Fragmente, die sich in einem so schlechten Zustand befinden, dass sie nicht eingeordnet werden können. Es gibt auch einige „gemischte Werke“. In den meisten Fällen verweist die Signatur einer Handschrift auf einen einzelnen Text. Manchmal allerdings wurde dieselbe Signatur mehr als einem Schriftwerk zugeordnet. Dies geschah etwa aufgrund der Wiederverwendung einer Schriftrolle in der Antike – wenn der alte Textbestand überschrieben wurde (ein Palimpsest) oder wenn sich auf Vor- und Rückseite (recto und verso) einer Schriftrolle zwei verschiedene Texte befinden. Andere Fälle „gemischter Werke“ mit einer einzigen Handschriftensignatur spiegeln moderne Irrtümer und Meinungsverschiedenheiten bei der Zuordnung der Fragmente wider.

Links: Mas 1o Recto - ein Text mit Erwähnung des Bergs Garizim

Rechts: Mas 1o Verso - nicht-identifizierter Text
Fotos:
Shai Halevi
Oben: Mas 1o Recto - ein Text mit Erwähnung des Bergs Garizim
Unten: Mas 1o Verso - nicht-identifizierter Text
Fotos: Shai Halevi

Gelegentlich wurden Fragmente von Wissenschaftlern irrtümlich derselben Handschrift zugeordnet und deshalb zusammengefügt. Manchmal gehörtendiese Fragmente zwar zu demselben Schriftwerk, z.B. zum Buch Levitikus, stammten aber von unterschiedlichen Kopien des Buches. In diesen Fällen erhielten die Texte einen zusätzlichen Buchstaben, um sie zu voneinander zu unterscheiden, z.B. 4Q26, 4Q26a, 4Q26b, 4Q26c, die jeweils unterschiedliche Kopien des Buches Levitikus darstellen, die zusammengefügt wurden.

Textarten

Die literarischen Schriftwerke der Schriftrollen vom Toten Meer sind üblicherweise nach Inhalt oder Gattung aufgeteilt. Wissenschaftler sind oft uneinig über die Kategorien und Bezeichnungen einzelner Werke. Deshalb sind die hier benutzten Begriffe eher als Orientierungshilfe gedacht, die den Benutzer durch diese einzigartige Sammlung lotsen soll, und weniger als Beitrag zu andauernden komplizierten wissenschaftlichen Debatten zu betrachten. Ein Text kann auch über mehr als eine beschreibende Kennung verfügen.

Biblische Schriftwerke

Schrift (מקרא) – Diese Handschriften enthalten Material, das heutzutage als ein Teil der hebräischen Bibel angesehen wird. Mit Ausnahme des Buches Ester finden sich unter den Schriftrollen vom Toten Meer alle biblischen Bücher.Es sind die ältesten bekannten Kopien biblischer Werke.

Übersetzung der Schrift (תרגום מקרא) – dabei handelt es sich um Übersetzungen der biblischen Texte ins Aramäische und Griechische.

TEFILLIN UND MEZUZOT

Tefillin oder Gebetsriemen („Phylakterien”) und Mesusot sind rituelle Objekte: kleine Pergamentstreifen, die Ausschnitte aus biblischen Texten enthalten. Dtn 6,6.8-9:

6 Diese Worte, die Ich dir heute befehle, seien in deinem Herzen...8 Binde sie zum Zeichen an deine Hand, sie seien zum Stirnschmuck zwischen deinen Augen. 9 Und schreibe sie an die Pfosten deines Hauses und an deine Tore.

Tefillin (תפילין) - Diese zusammengefalteten und in Kapseln gelegten Pergamentstreifen werden als „Stirnband zwischen deinen Augen“ aufgefasst. Ca. zwei Duzend Tefillinpergamente wurden aus den Qumran-Höhlen geborgen und weitere Tefillin wurden im Wadi Murabba’at, Nachal Chever und im Nachal Ze’elim gefunden.

Links: Abbildung von Tefillinkapseln aus der Qumran-Höhle 4
1cm x 2-3 cm


Rechts: 4Q135 4QPhylactery H, Text der Tefillin
2.5 cm x 4 cm
Fotos:
Shai Halevi
Photos:
Shai Halevi
Oben: Abbildung von Tefillinkapseln aus der Qumran-Höhle 4
1cm x 2-3 cm
Unten: 4Q135 4QPhylactery H, Text der Tefillin 2.5 cm x 4 cm
Fotos: Shai Halevi
Photos: Shai Halevi
Sie lassen sich durch die Bibelabschnitte, die sie enthalten, und durch spezielle Schriftmerkmale, wie z.B. ihre winzige Schrift, charakterisieren. Es sind dieselben Texte, wie sie durch die spätere und bis heute in der jüdischen Tradition verankerte rabbinische Halacha gefordert werden. Jedoch finden sich auf ihnen auch zusätzliche biblische Passagen. Weil die Qumran-Tefillin die einzigen erhaltenen Exemplare aus der Zeit des Zweiten Tempels sind, kann nicht entschieden werden, ob ihre besonderen Merkmale den Brauch einer bestimmten Gemeinschaft widerspiegeln oder ob sie eine weiter verbreitete Tradition verkörpern.

Mesusot (מזוזה) - Sie werden an den Türpfosten eines Hauses befestigt. Acht Mesusot wurden in den Qumran-Höhlen gefunden und eine im Wadi Murabba’at entdeckt. Die Bibelpassagen der Mesusot sind meistens die gleichen Texte, die auch heute an den Türpfosten eines jüdischen Hauses zu finden sind.

Nicht-biblische Schriftwerke

Nicht-biblische Schriftwerke bezeichnen Texte, die keine Entsprechung in der hebräischen Bibel finden. Einige können durch die zeitgenössischen Autoren und Leser als heilig betrachtet worden sein.

Apokryphen (אפוקריפה) – Der Begriff „Apokryphen“ wird hier verwendet, um auf die besondere Sammlung von Büchern hinzuweisen, die in der katholischen und östlich-orthodoxen Tradition als kanonisch betrachtet werden, jedoch kein Teil der hebräischen Bibel oder des protestantischen Kanons sind. Drei apokryphe Werke wurden in den Schriftrollen vom Toten Meer gefunden: Ben Sira (auch bekannt als die Weisheit des Ben Sira, Jesus Sirach oder Ecclesiasticus), das Buch Tobit und der Brief des Jeremia.

Kalendarische Texte (חיבורים קלנדריים) – Die „kalendarischen Texte“ aus den Qumran-Höhlen beruhen hauptsächlich auf solarenn, weniger auf lunaren Berechnungen. Die Kalender sind nützliche Informationsquellen für Feste und Priesterwachen (Mishmarot). Die Geheimschrift (eine ungewöhnliche Art der hebräischen Schrift) in einigen dieser Kalender könnte darauf hindeuten, dass es sich dabei um geheime Informationen handelte. Diese Handschriften sind aufgrund ihrer geordneten und systematischen Listen von Tagen und Monaten von besonderem Wert, da sie es den Wissenschaftlern ermöglichen, fehlende Teile des Kalenders zu ergänzen. Der bekannteste Kalender besteht aus 364 Tagen, in 4 Jahreszeiten mit je 13 Wochen aufgeteilt.

Exegetische Texte (חיבורים פרשניים) – Der hier verwendete Begriff „Exegetische Texte“ bezieht sich auf Texte, die auf biblische Texte ausdrücklich Bezug nehmen und diese analysieren bzw. auslegen. Die bekanntesten dieser Texte sind die Pescharim; andere umfassen einen „halachischen Midrasch“ oder Genesiskommentare.

Pescher (פשר) – Diese Art exegetischer Literatur wendet biblische Prophetie auf die Geschichte und Erfahrungen der Sektengemeinschaft an, die als Yachad bekannt ist, und setzt dabei ein Hauptaugenmerk auf die Endzeit. Diese Kommentare sind leicht erkennbar durch die Verwendung des Wortes „pescher“ in den Schriftformeln, die das Bibelzitat mit seiner Auslegung verknüpft.

Historische Texte (חיבורים היסטוריים) – Historische Texte beziehen sich auf historische Ereignisse.Einige dieser Werke bringen moralische und theologische Interpretationen historischer Ereignisse zum Ausdruck. Die Fragmente erwähnen historische Persönlichkeiten wie die Königin Salome oder griechische Könige.Viele der beschriebenen Ereignisse finden inmitten von Krieg und Aufstand statt.

Gesetzliche Texte (חיבורים הלכתיים) – Gesetzestexte (auch Halacha, ein Begriff, der in späteren rabbinischen Texten verwendet wird) beschäftigen sich mit Fragen des Religionsgesetzes. Biblische Gesetzestexte behandeln ein breites Spektrum von Themen wie z.B. Zivilrecht, rituelle Vorschriften (wie Feiertage, Tempeldienst und körperliche Reinheit), ethisches Verhalten u.v.m.. Viele Qumran-Texte legen das biblische Gesetz aus und erweitern es. „Regeln“ wie die Gemeinschaftsregel oder Teile der Damaskusschrift befassen sich speziell mit Regeln und Vorschriften von Sekten. Einige gesetzliche Texte, vor allem Miqtzat Ma‘ase ha-Tora (MMT, auch als Halakhic Letter bekannt) setzen sich polemisch mit gegnerischen Gruppierungen auseinander.

Parabiblische Texte (חיבורים על המקרא) – Der Begriff „parabiblische Texte“ bezeichnet hier jene Werke, die biblische Erzähl- und Gesetzestexte nacherzählen, erweitern oder ausschmücken. Beispiele solcher Werke sind das Genesis Apokryphon, Henoch und die Tempelrolle. Manchen Büchern, die hier als parabiblisch geführt werden, wie z.B. das Jubiläenbuch oder das aramäische Levi-Dokument, könnte in der Antike von bestimmten Gruppen biblischer Status beigemessen worden sein.

Poetische/Liturgische Texte (חיבורים שיריים וליטורגיים) – Die meisten Gedichte und Hymnen aus den Schriftrollen vom Toten Meer sind mit der biblischen Poesie eng verwandt. Viele beinhalten auch Themen und Ausdrücke aus späteren Perioden. Darunter sind sektiererische Hymnen, wie z.B. – besonders bemerkenswert – die Hodayot,. Manche Texte scheinen für das persönliche Studium oder die persönliche Kontemplation benutzt worden zu sein, während andere für eine formal-liturgische Verwendung bestimmt waren, wie z.B. die täglichen Gebete und die Festgebete oder die Sabbat-Opfer-Lieder.

Weisheitstexte (חיבורים חכמתיים) – Unter den Schriftrollen vom Toten Meer gibt es Werke, die an die Weisheitstradition der biblischen Bücher, , wie Sprüche, Hiob, Prediger und einigen Psalmen, und der apokalyptischen Werke,wie Ben Sira oder der Weisheit Salomos, anknüpft und diese fortführt. Die Werke bieten praktische Lebensratschläge und eine geistige Reflexion über Welt und Menschheit. Die Qumran-Weisheitstexte, wie Anleitungen und Mysterien, verbinden praktische und geistige Themen mit apokalyptischen Motiven undsprechen gelegentlich auch gesetzliche Fragen an.

Sektentexte (חיבורים כיתתיים) – Die „Sektentexte“ verwenden eine einzigartige Terminologie, um ihre besondere Theologie, Weltanschauung und die Geschichte der Gruppe, die sich selbst Yachad („Gemeinschaft“) nennt, zu beschreiben. Die zentralen Texte skizzieren die Regeln und Vorschriften der Yachad und konzentrieren sich auf die Endzeit, die von der Gemeinschaft als unmittelbar bevorstehend angesehen wurde. Früher schrieben Wissenschaftler alle Qumranrollen den Essenern, einer der drei jüdischen Hauptsekten zur Zeit des Zweiten Tempels, zu,. Heutzutage stimmen die meisten von ihnen darin überein, dass diese Schriften eher von miteinander verbundenen, sich entwickelnden Gemeinschaften stammt un nicht das Werk die einer einzelnen Sekte darstellt. Sogar die Texte, die als „sektiererisch“ bezeichnet werden, wurden wahrscheinlich von verschiedenen Gruppen innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft verfasst. Drei der sieben ursprünglichen Schriftrollen, die in Höhle 1 bei Qumran gefunden wurden, sind für die Identifizierung von Sektentexten verwendet worden und gehören zu den bekanntesten Handschriften: die Gemeinderegel („Serekh ha-Jachad“), die Schriftrolle über den Krieg der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis und der Habakuk-Kommentar (Pescher Habakuk).

Urkunden und Briefe

Bar Kochba Briefe (איגרות בר כוכבא) – Fünfzehn in einem ledernen Wasserschlauch aufbewahrte militärische Briefe wurden in Höhle 5/6, bekannt als die Höhle der Briefe, bei Nachal Chever entdeckt. Alle Briefe aus diesem Bündel wurden von Männern geschrieben, die an der Verwaltung von Schim‘on b. Kosiba, dem Anführer des Bar Kochba-Aufstands, beteiligt waren.Die meisten wurden im Namen von Shimo‘n verfasst.

Archiv von Babatha (ארכיון בבתא) – Das persönliche Archiv von Babatha, anscheinend einem Flüchtling während des Bar Kochba Aufstands, wurde in Höhle 5/6 von Nachal Chever, auch bekannt als Höhle der Briefe, gefunden. Diese 35 Rechtsdokumente, unter denen sich etwa Heiratsurkunden, Landtitel oder Verkaufskontrakte fanden, wurden als eine zusammengewickelte Rolle in einem Lederbeutel aufbewahrt und in einer Felsspalte in der Höhle versteckt, vermutlich um sie später wiederzuholen. Die meisten der Babatha-Dokumente sind gut erhalten und weisen genaue Datumsangaben auf, die sich auf die Jahre 94-132 n.d.Z. erstrecken. Das Archiv umfasst Dokumente, die in Aramäisch, Nabatäisch und Griechisch geschrieben sind.

Aktensammlung des Eleazar ben Schemu’el (ארכיון אלעזר בן שמואל) – Zusätzlich zu den Aktensammlungen von Bar Kochba und Babatha brachte die Höhle der Briefeeine andere kleine Dokumentensammlung hervor. Fünf Verträge, die Eleazar, dem Sohn von Schmuel, einem Bauern von En Gedi, gehörten, wurden in einer Ledergeldbörse, die in einer Felsspalte versteckt war, neben der Aktensammlung von Babatha gefunden. Ein anderes Papyrusdokument, das Eleazar gehörte, wurde in einem Rohr versteckt gefunden.

Vermeintliche/mutmaßliche Qumran-Urkunden (תעודות לכאורה ממערות קומראן) – Einige der Urkunden, die von Beduinen an das Rockefeller Museum verkauft wurden, wurden den Qumran-Höhlen zugeordnet, könnten aber in Wirklichkeit anderswo gefunden worden sein. In mindestens einem dieser Fälle scheint der Ursprung aus einer Qumran-Höhle tatsächlich wahrscheinlich. Bei dem Fragment handelt es sich um einen in griechischer Sprache verfassten Bericht, der vermutlich auf die Rückseite einer Qumran-Rolle geschrieben wurde.